Rede bei der Trauerfeier für Hermann Bachmaier am 20.07.2023

Es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Frau Bachmaier,
liebe Angehörige,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

in seinem Vortrag „Politik als Beruf“ beschrieb Max Weber drei Qualitäten eines guten Politikers: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß.

Hermann Bachmeier hatte diese Qualitäten. Sie haben sein jahrzehntelanges politisches Wirken begleitet.

Geprägt hat ihn sein Studium der Rechtswissenschaft, der Geschichte und der Politik in Heidelberg und in Tübingen. So haben sich Hermanns Beruf des Rechtsanwalts und sein politisches Engagement gut ergänzt. Im Buch „Politik zwischen Crailsheim und Berlin. Hermann Bachmaier im Gespräch“, in dem er anlässlich seines 80. Geburtstags interviewt wurde, drückte Hermann es selbst so aus: „Die Juristerei ist ja auch immer ein Pro und Kontra. Das hat durchaus zusammengepasst.“

Hermann Bachmaier trat 1969 in die SPD ein. Damals veränderte sich die Gesellschaft grundlegend – ob kulturell, sozial oder politisch. In Deutschland kanalisierte ab 1969 die sozialliberale Koalition mit Bundeskanzler Willy Brandt an der Spitze diese Aufbruchstimmung.

Brandts Satz „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ brachte es auf den Punkt: Raus aus dem Mief, hinein in eine neue Ära mit mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung und mehr Freiheit. Dieses Versprechen war die Hoffnung für eine ganze Generation. Viele junge Menschen fanden damals begeistert den Weg in die SPD, so auch Hermann. „Politik war für mich auch eine Auseinandersetzung mit dem Elternhaus“, so schilderte es Hermann Bachmaier später einmal.

1975 wurde er erstmals in den Gemeinderat der Stadt Crailsheim gewählt. Diesem gehörte er bis 1987 an. Die damalige Zeit wird rückblickend als eine Ära heftiger Auseinandersetzungen in der Crailsheimer Kommunalpolitik und großer Redeschlachten im Rat beschrieben. Hier profilierte sich Hermann Bachmaier als Gegenpart zum damaligen Oberbürgermeister Hellmut Zundel. Die Bürgerinnen und Bürger seiner Heimatstadt honorierten es. 10.200 Stimmen erhielt er als Stimmenkönig bei der Gemeinderatswahl 1980 – bis heute ein Rekord. Niemals zuvor und nie wieder danach hat eine Person bei der Crailsheimer Gemeinderatswahl solch ein Ergebnis erhalten.

Stadtgeschichte schrieb Hermann Bachmaier auch mit seiner ersten Wahl in den Deutschen Bundestag 1983. Bis 2021 war er der einzige gebürtige Crailsheimer Bundestagsabgeordnete.

Sechs Wahlperioden, insgesamt 22 Jahre gehörte Hermann Bachmaier dem Bundestag an.

Die Rechtspolitik war in all dieser Zeit sein Schwerpunkt. Er war Mitglied im Rechtsausschuss und dessen Stellvertretender Vorsitzender. Ab 1998 war er Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion.

Die ersten 15 Jahre war er Abgeordneter in der Opposition. Die letzten sieben Jahre waren die Ära der rot-grünen Bundesregierung. Aber egal auf welcher Seite: Hermann Bachmaier war Parlamentarier – und das nicht zum Selbstzweck, sondern ganz bewusst.

Regierungsämter wie Minister oder Staatssekretär hat er nie angestrebt. „Da hätte ich Rücksichten nehmen müssen, die mir absolut nicht liegen“, hat er später einmal erzählt.

Nein, Hermann Bachmaiers Arena war das Parlament. Der Streit um die besten Ideen mit Leidenschaft, motiviert aus Verantwortungsgefühl. Und gerade, für einen Rechtspolitiker unabdingbar, mit Augenmaß. Ein Beispiel hierfür ist sein Eintreten für Bürgerrechte mit seiner Kritik am Großen Lauschangriff in den Neunzigerjahren.

Sachpolitik mag oft ein Schlagwort in Debatten sein. Bei Hermann Bachmeier war es ein wesentliches Merkmal seiner parlamentarischen Arbeit. Die Spuren, die er im Rahmen dieser Arbeit hinterließ, waren nachhaltig und vielfältig: ob mehr Transparenz bei der Auswahl von Bundesrichtern, der Umweltschutz als Staatsziel im Grundgesetz, die Ernennung eines Bevollmächtigten im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Nachrichtendienste oder die Reform des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Bundestages – diese Ergebnisse sind Beispiele für Hermann Bachmaiers Wirken als Abgeordneter in Bonn und Berlin. Hierfür hat er gekämpft und gestritten – natürlich nicht allein, aber maßgeblich und hartnäckig. Auch in einigen Untersuchungsausschüssen, einer der schärfsten Schwerter des Parlaments, war er Vorsitzender oder Obmann.

„Streitbar“ war sicher ein Attribut, das Hermann durch seine gesamte Laufbahn begleitete. So ist im Buch „Politik zwischen Crailsheim und Berlin“ nachzulesen: „Ich hatte schon immer Freude an der Auseinandersetzung, das muss ich zugeben. Argument und Gegenargument, das hat mich immer gereizt. Ich war nie ein Streithammel, ich habe durchaus auch ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis. Aber in der Politik habe ich früh gelernt, dass zur Demokratie der Konflikt gehört.“

Hermann bekannte sich dazu: Streit und Konflikt um die Sache bewirken in einer Demokratie etwas. Schließlich sei ein kultivierter Streit „das Salz in der Suppe einer Demokratie“, wie er betonte.

Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß – auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag prägten diese Qualitäten seine Arbeit. Als Mitglied des von der Bundesregierung eingesetzten Normenkontrollrats war sein Sachverstand gefragt. Auch als es 2010 um die Reform der Telefonüberwachung ging, meldete er sich öffentlich mit Einsprüchen zu Wort.

Hermann war Zeit seines Lebens „Homo politicus“, ein politisch denkender und handelnder Mensch. So bin ich sehr dankbar für die Telefonate und den Austausch mit Hermann. Er war immer interessiert. Und Hermann hatte sofort ein Gespür für den springenden Punkt, des Pudels Kern, die letztlich entscheidende politische Fragestellung.

Im politischen Berlin ist Hermann Bachmaier bis heute eine Größe. So durfte ich beispielsweise zwischen ihm und Dr. Eva Högl der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages wechselseitig Grüße ausrichten.

Während seiner ganzen politischen Laufbahn war Hermann Bachmaier die Rückkopplung mit der Basis und seine Verbindung mit der Heimat sehr wichtig. Und so ist es, rückblickend betrachtet, sicher kein Zufall, dass seine letzte öffentliche Wortmeldung seiner Heimatstadt galt. Wir erinnern uns alle noch an den Artikel vor fünf Wochen im Hohenloher Tagblatt, wo er vehement für die Vision einer Stadthalle für Crailsheim eintrat.

Der Körper machte nicht mehr so mit, bekannte er. Der Geist war bis zuletzt hellwach. „Ich bin kein Mensch, der sich zurücklehnt“, gab er im Artikel zu. So war er bis zuletzt präsent und so hat er sich bis zuletzt eingemischt – gerade für seine Heimatstadt Crailsheim, wo er aufgewachsen war und wo alles begann. Bis zuletzt mit Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß.

Lieber Hermann, Ruhe in Frieden!