Am 30.07.2024 habe ich der Heilbronner Stimme die folgenden Fragen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Wahlrechtsreform und zur Forderung einer Grundgesetzänderung für ein Diskriminierungsverbot wegen geschlechtlicher und sexuelle Identität beantwortet.
Mit dem Urteil wurde die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition teilweise gekippt – was halten Sie vom Urteil des BVerfG?
Die heutige Entscheidung ist ein doppelter Erfolg. Zum einen ist es ein Erfolg für die Bürgerinnen und Bürger. Denn der Bundestag wird nach der kommenden Wahl weniger Sitze haben. Das war ein großer Wunsch der Bürgerinnen und Bürger. Auch verbessert es die Arbeitsfähigkeit des Parlaments. Zum anderen ist es ein Erfolg der Fortschrittskoalition aus SPD/Grünen/FDP. Wir haben den Bürgerwillen umgesetzt und sichern ihn auch künftig. Denn insbesondere die CSU wollte an Verzerrungen zu ihren Gunsten festhalten, die aus den bisherigen Übergans- und Ausgleichsmandaten resultieren.
Halten Sie es für richtig, die Streichung der Grundmandatsklausel als verfassungswidrig einzuschätzen?
Hierzu gab es verschiedene Rechtsauffassungen. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, welche Rechtsauffassung gilt.
Das Bundesverfassungsgericht sagt in seinem Urteil, dass der Gesetzgeber einen weiten Spielraum hat, das Urteil umzusetzen und das Wahlrecht hinsichtlich der Sperrklausel zu ändern. Gibt es hierzu bereits konkrete Vorschläge, beziehungsweise Entwürfe?
Wir prüfen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nun genau. Der Gesetzgeber könnte hierbei zur kommenden Bundestagswahl nochmals eine Änderung vornehmen. Er muss es aber nicht. Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat zwei wesentliche Ergebnisse: Der Bundestag wird nun dem Bürgerwillen entsprechend kleiner. Die kommende Bundestagswahl hat nun eine verfassungskonforme Grundlage.
Außerdem hätte ich noch folgende Fragen zum Vorhaben der Ampel-Koalition das Diskriminierungsverbot wegen sexueller Identität im Grundgesetz zu verankern, also konkret den Zusatz, dass niemand wegen seiner geschlechtlichen und sexuellen Identität benachteiligt werden darf, anzufügen. Die Union spricht sich aktuell gegen die GG-Änderung aus, Ihre Fraktion ist dafür.
Warum halten Sie eine entsprechende GG-Änderung für notwendig?
Die aktuelle Grundgesetzregelung hat Menschen nicht vor Diskriminierung geschützt. Homosexuelle wurden bis in die 70er strafrechtlich verfolgt, lesbischen Frauen wurde das Sorgerecht entzogen und die rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren wurde erst 2017 erlangt. Damit diese Regelungen nicht wieder einfach so gestrichen werden können, streben wir eine Grundgesetzänderung an.
Für eine GG-Änderung ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, es ist also Zustimmung aus der Union nötig. Gibt es hier Vorschläge, wie ein Kompromiss aussehen könnte oder ist die Strategie, die Union einfach von einer Änderung zu überzeugen?
Der Großteil der Bevölkerung findet es gut, dass Menschen gleichbehandelt werden, egal wen sie lieben. CDU/CSU müssen erklären, weshalb das für sie ein Problem ist.
Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist vermutlich gering – macht es überhaupt Sinn, an diesem Koalitionsvorhaben weiter festzuhalten?
Die Fortschrittskoalition hat schon so manches dickes Brett gebohrt. Sie ist produktiv und hat den Großteil des Koalitionsvertrages abgearbeitet. Die Fortschrittskoalition wird also auch weiterhin daran arbeiten, das Leben der Menschen besser zu machen.